Die Geschichte des Schlossturms von Neusorge in Zschöppichen

Fährt heute von Mittweida kommend in den Ort Zschöppichen, so hat man nach der ersten 90-Gradkurve das große Torgebäude des früheren Rittergutes Neusorge im Blick. Fast festungsartig liegt es quer gegen Norden ausgerichtet am Südhang in Richtung Zschöppichen. Die Gebäudeausmaße von ca. 50 m Breite, 11 m Höhe und 12 m Tiefe lassen die einstige Bedeutung erahnen. Mittig über der vom Wappen der Familien von Arnim und Hoym gekrönten Toreinfahrt sitzt seit 1995 wieder der Turmstumpf des barocken Tor- oder Schlossturmes.

Die Eigentümerfamilie Hendel bemühte sich beim unterstützten Neuaufbau (Stiftung Denkmalschutz) des Daches um die Wiedererrichtung des Turmes. Bleibt zu hoffen, dass irgendwann mit viel Glück doch wieder die Glocke die Stunde schlägt…

Über die wechselvolle Geschichte des Turmes einige Zeilen, Bilder und Geschichten.

[Von Mittweida aus kommend im Mai 2009]

Von Mittweida aus kommend im Mai 2009

[Die Tordurchfahrt mit dem Allianzwappen der Familien von Arnim und von Hoym im Mai 2009]

Die Tordurchfahrt mit dem Allianzwappen der Familien von Arnim und von Hoym im Mai 2009.

Der erste Turm um 1664

In der Liebmannschen Chronik von 1934 wird ein Inventarverzeichnis aus der kursächsischen Verwaltungszeit (1610-89) zitiert, welcher sich mit der Zeichnung von Willhelm Dillich von 1627 und der Karte von Balthasar Zimmermann von 1620 deckt:

„Pachta Acta des Forwergs Neuensorge Anno 1664“

„…das Steinerne oder Hohe Haus sambt Torhausse mit einem Grosshoffe Thor undt einem höltzernen Riegel, daran auswendig der Schönberger und Pflüger Wappen gemahlet, das Küchenhaus, das Wasserhäuslein, die Frauenzimmerstuben, das neue Gebäude über der Frauenzimmerstuben, das Neue Gebäude, die Badstube, das Vieh und das Fischhaus.“

Weiter heiß es über Neubauten:

„An Zeigerhäusslein vacat sintmahlen anno 1618 solches abgetragen undt dagegen ein achteckigt Thürmlein wir folgendes gemeldet, auffs Fischhaus gesetzet worden. Das Roth undt weiss gemahlte Fischhaus mitten uffn Hoffe stehet.“

„Uffn Fischhausse so mit 4 Giebeln: Ein achteckigt undt mit Schiefer gedecktes Zeigerthürmlein, daran die Spiessbäume mit verziertem Bleche beschlagen, worauff eine spitzige Fahne, daran Ihrer Churffl. Durchl. Wappen durchbrochen mit einem vergoldeten Knopf.“

„Eine Sonnentafel, so auch vorhanden gewesen, ist wegkgerissen undt hiervon nichts mehr übrig. Eine Taffel mit vergoldeten Ziffern, darrnach die Uhr weset. Inwendig ein Thürmlein eine eiserne Stunden schlag Uhr, ein Zeyger Glöcklein oben in der Hauben.“

Fest steht damit, dass schon im spätgotischen Vorgängerbau die Zeit angezeigt und geschlagen wurde. In der Federzeichnung von Willhelm Dillich vom Anfang des 17. Jahrhunderts ist ein entsprechender Turm zu erkennen.
Der Turm im 18. Jahrhundert – 1749.

Der Turm des barocken Rittergutskomplexes nach dem Neuaufbau durch Carl Sigismund von Arnim. Wie Quellen der Zeit berichten, wurde aufgrund der:

„bey der am 9. July anno 1745 beym Ritter Guthe Neusorga durch Einschlagung des Donnerwetters entstandenen Feuersbrunst ….“ (Spezifikation des Gutspächter Peter Naumann) ein nahe zu kompletter Neuaufbau des Rittergutskomplexes in Angriff genommen. Die Zeit für alle Gutsbediensteten, Fröner, Handspänner und herrschaftlichen Gäste anzuzeigen und zu schlagen stand außer Frage. So berichten einige zu zitierente Gerichtsakten:

„Vorbeschiedssachen gegen die Gemeinde Oberthalheim vom 17. Juni 1749“ – „…indem auf das fördere Hoff Gebäude zu setzende Thurm soll ein Zeiger und ein schlag Uhr gesetzet werden. Dies Thürmgen ist ein pars des schon vorhandnen im inneren Herren Hoffe stehenden Gebäudes.“

In einen Handschreiben Carl Sigismunds von Arnim an seinen Gerichtshalter Schüffner vom 8. November 1749 heißt es:

„Dieses ist vor ein neues Gebäude nicht zu achten, wenn auff ein schon aufgeführtes nur ein Thurm um eine Schlag Uhr darinnen anzubringen, gesetzet wird. Das Gebäude wird hierdurch weder vergrößert noch erhöhet.“

Die Inschrift der damals im Turm angebrachten Glocke, die Neusorger und Zschöppichener Generationen in Freud und Leid mit schlichtem Klang begleitete lautet:

SI EXCELL. DER KÖNIGL. POHL.

UND CHURF. SÄCHSI. GENERAL

DER CAVALLERIE: HERR CARL

SIEGMUND VON ARNIM HAT

MICH IM MONATH MAI ANNO

1749 DURCH JOH. CHRIST.

HEESEN IN CHEMNITZ GIESSEN LASSEN.

Der Turm im 18. Jahrhundert – 1776

Die Glocke hat Gott sei Dank die Stürme der Zeit, Brände, Blitzschläge, Requirierungen, Plünderungen und den Bronzehunger der beiden Weltkriege überstanden. Leider ist beim Wiederaufbau 1995 der Glockenturm nicht mit vollendet worden. Doch Turmstumpf mit neuer Uhr ist wieder da und Fundament um den Rest auch noch zu vollenden. Das Ziffernblatt und die Glocke zeigten und schlugen nicht nur zu Ihrer Zeit, nein … ein die metallenen Kugel unter der Wetterfahne ist auch immer ein schönes Archiv um Botschaft und Kunde in Zukunft zu tragen. Beim Turmdacharbeiten wurde 1911 eine Urkunden aus dem Jahr 1776 gefunden. Leider ist diese beim Abriss im November 1968 abhanden gekommen.

Der Inhalt laute wie folgt:

„Da Ihre Exillenz die Wirkl. Kaiserl. Königl. Geheim Rätin Frau Christiane Elisabeth Gräfin von Bünau geborene von Arnim höchstens reselviert, den hiesigen Schlossturm neu aufzuführen, so seien folgende Nachriten beigelegt. Es sind sämtliche Herrschaftliche Gebäude auffgeführt. Seine Hochselige Exillenz Herr Karl Siegmund von Arnim, Kurfürstl. Sächs. Würtemb. General und Chef über ein Regiment Kavallerie, wie auch des rus. Kaiserl. St. Andreas-Ordens Ritter pp. Hat den Lustgarten große Herrengebäude angefangen zu bauen. Anno 1751. Ist aber wegen des 1757 einfallenden 6 ½ jährigen Krieges nicht fortgesetzt worden. Da aber dieser Krieg den 15. Februar 1763 zu Ende kommen, haben seien Exillenz dieses Gebäude, was das Äußerliche anbelangt, im Jahre 1764 beendet. Da aber der Herr über Leben und Tod beschlossen, dass seine Exillenz am 7. August 1773 diese Welt verlassen, so haben Ihre Exillenz Frau Schwester die Ihre Exillenz die Wirkl. Kaiserl. Königl. Geheim Rätin Frau Christiane Elisabeth Gräfin von Bünau geborene von Arnim, hiesiges Rittergut erblich übernommen. Auch ist zu gedenken, dass im Jahre 1771 und 1772 das Land einer so schweren Teuerung gedrückt ward. Der Scheffel Korn galt hiesigen Ortes 11-12 Reichsthaler. Im Gebirge ist der Preis auf 13-14 Reichsthaler gestiegen. Der Scheffel galt 10 Reichsthaler für Gerste, Hafer 6 Reichsthaler. Da Nahrung und Gewerbe gänzlich daniederliegen, da auch die Armen im Gebirge wie auch im Dorfe Zschöppichen allhier vor großem Hunger geschrotenen Hecker, Gras wie auch Rinde von den Bäumen gegessen haben. Endlich aber dachte Gott in Gnaden an das arme Land durch eine im Jahre 1772 reichliche und gesegnete Ernte, dass der Kornpreis in einer Zeit von 2 Monaten auf 3 Reichsthaler zurückfiel. Auch stellte der gütige Gott Nahrung und Gewerbe in Kurzen einiger Masen wieder her, dass jedermann Ursache hatte, Gott für seinen reichen Segen dank abzustatten. Und da wir uns hiesigen Ortes im Jahr 1775 die größte Hoffnung zu einer segenvollen Ernte gemacht hatten, so hat doch der Höchste eines anderen beschlossen, indem derselbe am 11. Juli genannten Jahres nachmittags 2 Uhr ein sehr fürchterliches Hagel- und Schlosenwetter dahinführte, dass in einer Viertel Stunde alle Hoffnung dahin war. Die Feldfrüchte waren sämtlich von der Erde wegeschlagen und fast in keinem Zimmer in den herrschaftlichen Gebäuden ein trockener Aufenthalt zu finden, weil die Schlosen, welche 1 ½ Pfund wogen, die Fenster und Ziegeldächer auf einzelne Stücke geschlagen hatten, besonders das Schieferdach auf dem neuen Gebäude (Schloss), weil solches ernstlich nicht tüchtig gemacht gewesen, sehr ruiniert. Auch in diesem Jahr hat besonders der Bauersmann in seiner Not kein Ende gewusst. Ein Zentner Heu galt 18-20 Groschen und ein Schock Schüttstroh 3 und 4-5 Reichsthaler. Mit dem Getreide ist es wegen Vorrates und der besonderen Güte Gottes bei leidligen Preisen geblieben, als der Scheffel Korn 1-2 Reichsthaler, Gerste 1 Reichsthaler und Hafer 20 Groschen beis ein Reichsthaler galt. Im Jahre 1775 wurde schon wieder angefangen, das Schieferdach auf dem neuen Gebäude von Herrn Paul Friedrich Pauli, Schieferdecker aus Grimma, wieder in guten Stand zu setzen. Im 1776er Jahr wurde der Turm, welcher in schlechten Daches wegen bei Zeiten eingefault war, durch Zimmermeister Mairen von Hartmannsdorf bei Penig von Grund auf neu aufgesetzt und von oben genannten Herrn Pauli mit Schiefer gedeckt. Der Höchste erhalte uns unsere gnädige Herrschaft Ihre Exillenz die verwittwete Kaiserl. Königl. Geheim Rätin Frau Christiane Elisabeth Gräfin von Bünau geborene von Arnim, welche in dem 78en Jahre Ihres Lebens diesen Bau lassen ausführen, noch ferner bei langem Leben und zeigte Ihr am Ende desselben sein Heil.

Dieses wünscht von Herzen in Untertänigkeit

Hochlöbl. Reichs- Gräflich Bünauischer

Haushofmeister wie auch Hof- und Ökonomieverwalter

Johann Christian Fritzsche

Neusorge, 23.Mai 1776“
Der Turm im 20. Jahrhundert.

Wie die Urkunde von 1776 es beschreibt, so waren auch für die Herrenhäuser- und Rittergüter der Erhalt immer mit der gesamtwirtschaftlichen Lage und immer auch mit dem Glück und Geschick des Eigentümers, Pächters oder Verwalters eng verbunden.

Zum einen Glück, dass der Blitzschlag von 1937 glimpflich in seinen Folgen war aber letztendlich war der Turm nach knapp 200 Jahren Standzeit in Sturm und Wind stark reparaturbedürftig.
1937 Brand im Schlossturm aufgrund Blitzschlag (26.05.)

Bei schwerem Unwetter schlug in den Neusorger Schlossturm, die Schönborner Schule und die Neusorger Schäferei – Gut Donner der Blitz ein. Im Schlossturm schwelte es, nachdem der Gutsarbeiter und Maurer Georg Thümmer die Einschlagstelle untersuchte schlugen Flammen aus der Schalung. Die Zschöppichener und Mittweidaer Freiwillige Feuerwehr waren im Einsatz.

Auf dem Bild ist der alte Methauer Schiefer und die Bieberschwanzeindeckungen der Rittergutsgebäude noch gut zu erkennen. Im Turmknauf war die Urkunde versteckt und auf der Wetterfahne sind die Initialen C.v.Bünau 1776 (Christina von Bünau) zu erahnen.
1968 Abbruch Schlossturm (November)

Der Turm als ortsprägendendes Gebäude Anfang der fünfziger Jahre. Der kleene Hosenmatz (G.H.) wird sich um das Torgebäude und den Turm noch manchen Kopf zerbrechen. Die heute alten Herren erzählen sich noch gern, bei welcher Hochzeit das Glockenseil gerissen ist.

Ein sanierungsbedürftiger Schlossturm im Sozialismus? Erhalten? In der abschließenden Phase der „Kollektivierung der Landwirtschaft“, wo Herrenhäuser und Kirchenglocken nicht mehr in die Zeit passten. Wem wundert es, dass dann beim Übergang von Privat- und Gemeineigentum die Entscheidung gegen den Erhalt des Turmes bei der Dachneueindeckung durch die LPG „Friedrich-Engels-Altmittweida“ fiel. Die kleinschuppigen Dachschiefer wären angeblich … schon beim Dachdecker gewesen.

1995 Neuaufbau Dach Torhaus Rittergut

Neusorge Dank dem starken Engagement der Familie Hendel in ihren Bemühungen um den Gebäudegesamterhalt und den kompletten, fast kompletten Dachneuaufbau des Torhauses des Rittergutes Neusorge (Stiftung Deutscher Denkmalsschutz) ist doch das Fundament für den Turm und die wichtige Uhr wieder mitten im Ort. Schön das wir unsern Maibaum im Schatten des Turmes aufstellen können. Hoffen wir, dass die Neusorger Glocke bald wieder schlägt ….

(…und wenn das klappt und die Glocke wieder schlagen sollte, dann kommt bestimmt ein ruhiger ordnungsliebender Zeitgenosse und sagt: „so ä Krach, das gab´s früher nicht …“ – die Antwort liegt mir schon auf der Zunge 😉 )