Schlosspark und Lustgarten Neusorge in Zschöppichen bei Mittweida
Park Neusorge in Zschöppichen, Nie gehört?
Betritt man heute den verwilderten Garten auf der Südseite des Schlosses Neusorge kann man in dem von Ahorn- und Birkensprießern eroberten Gelände beim genauen Hinsehen Einiges entdecken: Ein auf drei Terrassen angelegtes Gartengelände, teilweise zum Ort hin mit Bruchsteinmauern umgeben südlich mit einem Laubaumbestand abgeschlossen, in welchem der Kinderheimneubau von 1983 steht. Steinerne Geländer aus Rochlitzer Porphyr, zwei Terrassen verbindende Rampengänge in deren Mitte einst sandsteinerne Delphine in mit Hilbersdorfer Porphyr umkleideten Grotten Wasser spieen. Etwa in der Mitte des Geländes liegt heute ein nicht mehr genutzter ausgemauerter Feuerlöschteich der 1934 errichtet wurde.
Schlosspark Neusorge Plan 2009
Die Quellen
Wir können es heute nur schwer erahnen, dass dieses überwucherte Gelände einer der schönsten Parkanlagen Sachsen war. Das dem so war, darüber möchte ich berichten. Von der einstigen Schönheit des Neusorger Parks zeugen glücklicherweise Fotos aus dem Jahr 1913, Karten aus dem Jahr 1790 und Gerichts- und Inventarakten der Gutsherrschaft Neusorge von 1749.
Park Neusorge 1921 von Süden
Die Lage und der Ursprung
Der südlich Teil des Schlossareals war schon immer als herrschaftlicher Garten in Nutzung. So geht aus der geht aus Karte des Balthasar Zimmermann von 1620 hervor, dass südliche Bereich des Schlossgeländes als „Oberer Baumgarten“ genannt wird. In etwa dem Bereich des Kinderheimneubaus wird ein „Krautgarten“ vermerkt. Auf der östlichen Schlossseite im Bereich der des früheren Schubertschen Obstgartens (heute Familie Stockmann-Siebert) ist der „Niedere Baumgarten“ gewesen. Des Bereich des Neubaus und Hendels Garten sind als „Brückengarten“ und „Schönberger Garten“ auch in späteren Karten und Flurbezeichnungen genannt. In der Zimmermannschen Karte sind in der Geländesenke hinter dem Schloss 5 Teiche zu sehen. Diese gibt auch die Federzeichnung von Wilhelm Dillich von 1627 wieder. Hinter dem Park- und Gartengelände, als Grünzigs Wiese oder Wassereinzugsgebiet noch bekannt, waren um 1620 drei größere Teiche zu finden.
Schlosspark Neusorge in Zschöppichen von Südwesten
Der Barockpark Neusorge
Mit dem barocken Schlossneubau nach dem Brand von 1745 wurde natürlich vom Bauherrn Carl Sigismund von Arnim auch die Gärten neu konzipiert. Damit folgte von Arnim den Vorbildern Großsedlitz Der Neusorger Park war als so genannter Lustgarten auf dem Gelände des früheren Niederen Baum- und Krautgartens unter Zukauf weiterer Wiesen angelegt. Das Anlegen der großzügigen Terrassen, die Bepflanzung und letztendlich auch Ummauerung des Lustgartens waren für den Grundherrn und seine Anspänner (Fron- und Anspanndienste leistende Bauern, Schwerpunkt aus Frankenau) ein aufwendiges Unterfangen. Am 02. November erwarb von Arnim den Garten des in Zschöppichen ansässigen Häuslers- und Gerichtsschöppen August Winkler. Aus Gerichtsakten geht hervor, so bezeugen „David Enoch und Samuel Krenckel am 24. July 1749: … der Lustgarten wäre ein neues Werk, weil viel Pla(t)z dazu käme, welcher vor diesem Lustgathen nicht gehört, sondern in Felde bestanden, indem selbst Getreyde darauff stehen sehen….“ und zum anderen „ … der alte Garthen wäre wenigstens wohl zweimahl kleiner als der jetzto neu angelegte geweßen, dahereo letzterer unstreitig ein neues Werk sey, weyl sehr viel alter wüster Garthen auch Feld dazu genommen wurde…“. Und weiter heißt es: „…außerdem habe vor diesem die übrige Vermachung des Garthens theils in Latten oder so genannten Stacketen, theils in lebdendigem Zaun bestanden.“
In dem mit den Pächtern Peter Naumann und Johann August Neuhauß am 10. Juni 1749 abgeschlossenem Pachtvertrag werden ausgenommen: „Die Lust-Gährten nebst darin befindlichen Teiche, als letzterer künftig eingeheht, den Küchen-Garthen und was allerart mit Mauern, Hecken und Verzäunungen einzufassen angefangen worden und abgestecket ist, auch die darinnen befindlichen Obst-Garthen-Gewächsen und dem neu angelegtem Teich nebst Terrassen, den langen Schub, welches gleichfalls alles mit Hecken eingefasst und vermaschet ist.“ Die Gartenmauer wurde 1749 errichtet: „ … weyl sonst ich den Garthen den ganzen Winter über offen stehen und solches dem Einlauffe sowohl derer Menschen, als des Wildes und anderen Viehes exponieret sein lassen müsse.“
Über die Ausstattung des Lustgartens gibt ein Inventarverzeichnis von 1757 Aus-kunft. Es wurde bei der Bestellung des „Kunst- und Lustgärtners“ Christian Henecke aus Belgershain.
Der Gärtner erhielt: „ …
1 langen Schlüssel von Eisen, die Hähne zu den Fontänen auf und zu zudrehen
6 messingne Hähne zu den Fontänen uns Springwässern
6 messingene Aufsätze zu denen Bassins und Fontänen
1 roth angestrichene Zunge in Delphin“
Aufgestellt waren:
6 große Kübelpflanzen
66 kleine Pflanzkübel
32 weiß-grün gestrichene Gartenbänke
Weiterhin werden mehrere Parterres, Bouquets, Bogengänge, Buchenhecken und viele Statuen erwähnt. An der Nordseite noch heute als Schuppenruine in Richtung Hofgasse ist das Gewächshaus zu erkennen. Für das Winterquartier wurde die vom Schlosshof westwärts angeordnete Orangerie angelegt. An besonderen Pflanzen werden erwähnt:
87 italienische Bäume
20 Lorbeerbäume
10 Feigenbäume
5 Granatäpfelbäume
1 Perlenaloe
51 Rosmarinstöcke
Die Statuen
Zu den oben erwähnten Statuen sind glücklicherweise von den Delphinfontainen und Einzelstatuen Fotos erhalten. Die Fontainen und Statuen werden dem Dresdner Bildhauer Johann Gottfried Knöffler (1715-1779) zugeordnet. Die Figurengruppe der Vier Jahreszeiten gruppierte sich um ein Bassin in der Höhe des noch vorhandenen Löschteiches. Die Figurengruppe wurde nach dem Erwerb des Schlosses durch den Leipziger Fürsorgeverband 1913 von der bisherigen Eigentümerfamilie von Carlowitz nach Obergruna/Großschirma verbracht. Im Rahmen einer Kunstschutzmaßnahme wurden die Skulpturen während des 2. Weltkrieges nach Dresden verbracht und infolge eines Luftangriffes vernichtet.
Knoeffler Fruehling
Knoeffler Sommer
Knoeffler Herbst
Knoeffler Winter
Die Überbauung und Zerstörung des Schlossparks Neusorge
Die Bemühungen des Leipziger Fürsorgeverbandes ab 1913, ab 1924 unter der Verpachtung an Elsa Brändström, konnten den ursprünglichen Barockcharakter des Parks nicht wiederherstellen. Die Entweihung ging in der Zeit der Schlossnutzung als NS-Motorsportschule 1934 bis 45 weiter. Im Bereich des unteren Bassins welcher einst von den 4 Sandsteinskulpturen Knöfflers umgeben waren, wurde ein Feuerlöschteich aufgeböscht. Auf der Höhe der ersten Terrasse wurde neben dem als Turnhalle genutzten Gartensaal eine Kfz-Werkstatt errichtet. Weitere Holzbaracken des Reicharbeitsdienstes (RAD) wurden 1945 wieder rückgebaut. Sie dienten als Notersatz für die im April 1945 in Ottendorf zerstörten Scheunen. Die östliche Gartenmauer zur Hofgasse wurde in den 1950er Jahren abgeböscht. Doch damit nicht genug. Die in der Nazizeit begonnene Zerstörung des Parks wurde ab 1955 weiter fortgeführt. Die den Park teilende 5 Absätze zu je 15 Stufen umfassende in Ost-West-Richtung ausgeführte Treppe aus Rochlitzer Porphyr wurde weggerissen. Und auf der südlichen Parkterrasse, auf welcher seit 1934 ein Fußballplatz angelegt war, wurde 1983 mit dem Kinderheimneubau die Krone der Zerstörung aufgesetzt. Die aus Verfüllungen der Terrassenabsätze mit Asche und Schutt oder die Plünderung der von unsern Vorfahren in Fronarbeit errichteten Trockenmauern für Eigenheime und Garagenfundamente seien nur am Rande erwähnt. Die seit 1995 weiter fortschreitende Verwahrlosung des Schlossareals und der übrigen Gartenanlage ist eine Schande für unser Kulturland Sachsen.
Diese Zeilen sollen daran erinnern, dass uns Schönes und Großes uns täglich oft in nächster Nähe umgibt. Wir müssen es nur entdecken, erkennen und erhalten. Das sind wir unsern Vorfahren und unseren Kindern schuldig – und uns auch.
Park Neusorge 1913 – Große Treppe
Park Neusorge von Osten
Park Neusorge von Westen
Ehemaliger Standort der Vier Jahreszeiten 1
Ehemaliger Standort der Vier Jahreszeiten 2